Nur eine Brücke

Die Rodenkirchener-Brücke in Köln. Der Klang des Namens ist schon wenig spektakulär. Und schon gar nicht besonders. Nur eine von vielen Brücken, die den Rhein überqueren? Nicht für mich.

Es war die erklärte Lieblingsbrücke meines Vaters und je länger er tot ist, desto mehr gewinnt diese Rheinüberquerung für mich eine Art Mystik. Vor allem, wenn sie schon aus großer Entfernung immer wieder zwischen den Bäumen und Büschen auftaucht, wenn ich am Rhein unterwegs bin, egal ob flussauf- oder abwärts.

Diese Aura liegt natürlich ganz im Auge des Betrachters, also von mir selbst. Trotzdem ist die Brücken-Architektur auch objektiv nicht ganz unschuldig an dieser Wahrnehmung. Zwei gewaltige, fast 60 Meter hohe Doppel-Tore begrüßen täglich mehr als Hunderttausend Autofahrer. Sie sind nicht nur riesig, sondern glänzen auch in einem seltsam schönen grün. Als Requisite eines Science-Fiction-Films wären es die perfekten Portale, um in eine fremde Dimension überzutreten bzw. hier eher zu "fahren". Da spricht jetzt der Star Trek-Fan in mir.

Vertieft man sich ein bisschen in die Historie dieses Stahlkolosses, bleiben einige Fakten hängen, die ich nicht erwartet hatte: Am 1. März 1938 – kurz vor dem Krieg – begann der Bau. Begriffen als kriegswichtige, staatliche Maßnahme. Schon im September 1941 wurde Einweihung gefeiert – kaum überraschend als Adolf-Hitler-Brücke. Was musste damals nicht alles diesen Namen über sich ergehen lassen. Kaum ein Bauwerk, kaum eine Straße und schon gar kein Platz konnten scheinbar dieser "Ehre" entkommen.

Mit Fertigstellung war es nicht nur die erste echte Hängebrücke Deutschlands, sondern zugleich mit 567 Meter Länge die größte dieser Bauart in ganz Europa. Allerdings nicht lange. Denn schon knapp drei Jahre später "fiel" sie im Krieg. Im wahrsten Sinne. Neun lange Jahre sollte es dann dauern, bis sie wieder stand. Und zwar so wie zuvor, im "Kölner Beckengrün". Eine Farbe, die auf das Konto Konrad Adenauers ging, als er noch Oberbürgermeister von Köln war. Er definierte mit diesem Grün, auch "Adenauer-Grün", eine eigene Farbe für alle Kölner Brücken. Das gilt tatsächlich bis heute.

Das Rodenkirchener Bauwerk wird als Autobahnteilstück allerdings nicht von der Stadt, sondern vom Land betrieben. Zwar hält auch Nordrhein-Westfalen diese Brücke in grün, wohl aber nicht in der Original-Farbmischung, die in den 20iger Jahren von der Bayer AG, heute von der Firma Lanxess vermarktet wird.

Befinde ich mich nun mitten im Ortskern von Rodenkirchen, mit Blick in Richtung Kölner City, taucht zwischen – nein natürlich hinter den Häusern – so plötzlich wie überraschend eines dieser monumentalen Tore auf. Durch die Nähe, Größe und Farbe wirkt das zumindest für mich ähnlich surreal, als stünde der Kölner Dom mitten in einer Bungalowsiedlung.

Ich weiß, allein in Köln gibt es etliche andere Bauwerke, die objektiv betrachtet größer, höher, älter, (kölscher?) oder anderweitig beeindruckender sind. Darum geht’s mir aber gar nicht. Für mich zählt auch der Respekt, den ich in den letzten Jahren Bauwerken dieser Art zunehmend entgegenbringe. Besser gesagt Respekt gegenüber den Menschen, die sie geplant und errichtet haben. In diesem Falle hier zu einer Zeit, als die technische Unterstützung mit der heutigen kaum zu vergleichen war. 1938 werden zudem Menschen unter Bedingungen gearbeitet haben, die man sich heute lieber nicht mehr vorstellen möchte. Nicht wenige vermutlich auch unter Zwang. Aber das wäre jetzt ein Thema für sich.  

Ich könnte jetzt sogar noch von einem Gefühl der Romantik sprechen, wenn ich mir – selten genug – die Zeit nehme, die Brücke kurz vor Sonnenaufgang zu beobachten. Dann wirkt es fast, als würde die Morgenröte durch die hohen Tore strömen. Einfach schön. Und kitschig. Ich weiß. Muss aber auch mal sein, außerdem bringt es mir ein paar schöne Erinnerungen an meinen Vater zurück. Und vielleicht motivieren diese Zeilen ja den einen oder anderen, öfters mal innezuhalten und alten, wenn auch weniger berühmten Bauwerken mit etwas mehr Achtsamkeit zu begegnen.