Beobachten. Lernen. Besser machen.

Teile der derzeitigen Corona-Politik eignen sich ganz passabel als praktisches Anschauungsmaterial für die Kommunikations-Abteilungen von Unternehmen. Selten konnte man Defizite und Probleme von (politischer) Kommunikation so öffentlich und in Echtzeit miterleben wie in dieser Pandemie (hier noch ein weiteres Beispiel).

Ein fast perfektes negatives Benchmarking:
Wie Firmen eben NICHT mit ihren Zielgruppen sprechen sollten.

Alle schimpfen also auf den Staat und jeder weiß es sowieso besser. Unternehmer sollten dies aber als Warnung und Chance verstehen und sich selbst fragen: Läuft meine Kommunikation mit den Mitarbeitern tatsächlich auf Augenhöhe? Nehme ich die legitimen Bedürfnisse meiner Belegschaft ernst? Behandeln auch meine Führungskräfte ihre Teams mit Respekt und verhalten sich sachlich, fair, mit Klarheit und Transparenz?

Was ist mit der klassischen Öffentlichkeitsarbeit?
Transportiert ein Unternehmen lediglich Ich-Botschaften, gespickt mit inflationären Superlativen? Oder ist das Unternehmen wirklich interessiert an einem echten Dialog mit allen Interessensgruppen, die es rund um die Firma gibt? Hat es den Willen zu einem produktiven Miteinander, bei dem der Profit zwar (natürlich) eine Rolle spielt, aber nicht immer und überall an erster Stelle steht?

Wie wirbt ein Unternehmen für seine Produkte und Dienstleistungen?
Wissen die Mitarbeiter aus Marketing und Vertrieb um die Bedürfnisse ihrer (potentiellen) Kunden? Oder wird einfach nur abverkauft ohne es mit der Wahrheit allzu genau zu nehmen? Werden Social-Media-Kanäle auch dazu verwendet, die Nutzer nach ihren Wünschen zu fragen? Wird ein lebendiger Austausch gesucht, um neues Wissen zu generieren, das in die eigene Produktstrategie einfließen kann? Nimmt das Unternehmen Kritik auch ernst und spricht mit den Kunden auf einer Ebene?

Das Beispiel der Corona-Krise ist für Unternehmen ein kommunikatives Worst-Case-Szenario, das sie quasi live beobachten können. Wie nämlich wir alle reagieren: Die einen mit Wut, Resignation und Abwendung. Andere mit Sarkasmus oder Unverständnis. Vermutlich hat eine Mehrheit sogar Verständnis, verteidigt tapfer die Politiker und behält ihren Optimismus. Trotzdem ist das generelle Urteil über die Kommunikations-Performance sehr kritisch.

So oder so: Ein extrem heterogenes Bild von Reaktionen. Aber Heterogenität als Ergebnis einer Pandemie-Kommunikation? Stand das so als Ziel im Maßnahmen-Heft? Wohl kaum. Und ist gerade daher eine nützliche und abschreckende Warnung für Unternehmen, es in ihrem Hause besser zu machen.

Der (gute) Ton macht die (bessere) Musik
Hat es nicht jeder schon erlebt, dass eine Mail vom Vorgesetzten respektlos und arrogant klingt? Wie man dann selbst ganz schnell wütend wird und die eigene Motivation auf direktem Wege in den Abgrund stützt? Sich das Ganze aber am Ende als bloße Nachlässigkeit des Chefs entpuppt, weil dieser die Nachricht zu schnell und ohne Sorgfalt formuliert hatte und es natürlich gar nicht so meinte? Also eben un-achtsam war? Doch leider ist auch Unachtsamkeit eine Form der Respektlosigkeit.

Über konkrete Maßnahmen lässt sich natürlich immer streiten, ob zur Eindämmung einer Pandemie oder eben im typischen Alltag eines Unternehmens. Der achtsame, respektvolle Ton für alle Kunden, Mitarbeiter und sonstige Zielgruppen sollte aber nicht verhandelbar sein. Denn wie immer macht der gute Ton die bessere Musik.

Zum Abschluss der Text, äh … das Wort zum Sonntag:
Ist es nicht erstrebenswert, wenn sich jeder Mensch, ob als Mitarbeiter oder Bürger, respektiert und ernst genommen fühlt? Dieser Mensch übernimmt doch viel eher Verantwortung für sich selbst und sein Handeln: Ob für seine Arbeit, sein Unternehmen oder in einer Pandemie sogar für die Gesellschaft als Ganzes.

Vielleicht hat also die bisher schwache Corona-Kommunikation ihr Gutes, weil es offen zutage fördert, wie es eben NICHT geht. Immerhin.